Albert Schweitzer: „Zwischen Wasser und Urwald“

Buch Albert Schweitzer

Gerade beendet und eine unbedingte Leseempfehlung! Das kleine Büchlein ist erstmals 1921 erschienen. Albert Schweitzer berichtet darin von seiner Zeit als Arzt in Afrika, auf der Missionsstation in Lambarene. Die Sprache und manche Ansichten muten aus heutiger Sicht unpassend an, etwa wenn er von „Negern“ spricht oder von der ursprünglichen Bevölkerung als „Naturkindern“, die in ihrer Entwicklung den Weißen unterlegen seien und daher der Aufsicht bedürften. Wie mit allen Zeitdokumenten, ist auch diese Schrift in ihren historischen Kontext zu setzen. Doch insgesamt blieb bei mir vor allem Bewunderung zurück, vor seiner Arbeit und vor den klaren Einsichten in die Zusammenhänge von Kolonisation, Mission, Kultur und Natur, Religion und Wissenschaft.

Schweitzer beschreibt sehr eindrücklich das große Leid der Einheimischen, wie er es als Arzt erlebt und benennt eindeutig die Verantwortung, die er bei den Kolonialmächten und den Menschen der sogenannten zivilisierten Welt sieht, Hilfe zu leisten: „Für jeden, der Leid verbreitete, muss einer hinausgehen, der Hilfe bringt. Und wenn wir alles leisten, was in unseren Kräften steht, so haben wir nicht ein Tausendstel der Schuld gesühnt.“ – Ein höchst aktueller Gedanke, im Hinblick auf die vielen vielen Flüchtlinge, die auf gefahrvolle Weise ihre Heimat verlassen und sich an jedes bisschen Hoffnung klammern, an einem fremden Ort wieder in Sicherheit und Würde leben zu können.

Neben den Schilderung des Alltagslebens in der Station und der Gegend um den Ogowe-Fluss, fand ich vor allem bemerkenswert, welche Schlüsse er aus seinen Beobachtungen zieht und wie er Vorurteile hinterfragt. Für Schweitzer stehen Kultur und Kolonisation in einem Wettstreit. Die Menschen hätten viel mehr von praktischer Unterstützung, Hilfe zur Selbsthilfe, zum Beispiel in der Gewinnung von Nahrungsmitteln und einem intakten Dorfleben. Statt dessen benötigt die Kolonialgesellschaft fähige und willige Arbeiter um aus dem Land und seinen Bodenschätzen möglichst viel Profit zu schlagen. Um Menschen zum Arbeiten zu bringen, werden Bedürfnisse geschaffen und das Verlangen nach teils unnötigen oder schädlichen Dingen geweckt: Schnaps, Tabak, Tand … Die Funktionsweise des Kapitalismus kurz zusammengefasst.

Nun bin ich einserseits neugierig auf weitere Texte aus Schweitzers Feder und andererseits auf aktuelle Literatur aus Afrika. Vor einiger Zeit, teils noch im Studium, hatte ich u.a. Joseph Conrads „Heart of Darkness“ gelesen, oder „The Famished Road“ von Ben Okri, auch „Disgrace“ von J.M. Coetzee. Bücher, die mir bei Schweitzers Bericht wieder in den Sinn kamen.

 

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